Psychiatrie in der NS-Zeit

Schon wenige Monate nach der "Machtübernahme" 1933 beklagte der Innenminister die hohen Kosten für "Geisteskranke", "Krüppel", "Verbrecher" und "Asoziale". Sie alle waren in der Sprache der NS-Propaganda "unnützte Esser" und "Ballastexistenzen". Alle psychisch Kranken, Körperbehinderten, sozial Auffälligen, überhaupt Unangepassten entsprachen nicht dem Bild des reinrassischen, starken und gesunden deutschen Menschen im Nazireich. Sie galten den NS-Ideologen als "erbbelastet", "minderwertig" und "lebensunwert". Alles Schwache sollte aus der Gesellschaft verschwinden und ausgemerzt werden.

Nach immer gleichen Mustern sorgte eine beispiellose Propaganda dafür, dass der Bevölkerung die Grundsätze der nationalsozialistischen "Erb- und Rassenhygiene" eingehämmert wurden. In Vorträgen und auf Kundgebungen, in Zeitungen und im Rundfunk, in Ausstellungen und Filmen, ja sogar in Schulbüchern malten die Propagandisten düstere Untergangsszenarien vom Aussterben "erbgesunder Familien" und des deutschen Volkes an die Wand. Man schreckte auch nicht davor zurück, den Leuten einzureden, Sterilisation und Auslese seien gottgewollt.

Auf diese Weise sollten ethische Bedenken gegen geplante staatliche Maßnahmen  zerstreut werden und die Beurteilung eines Meschen nach dessen gesellschaftlicher Nützlichkeit und Leistungsfähigkeit Priorität erhalten. - Die angeblich wissenschaftlich abgesicherte "Eugenik" diente als Legitimation, um gegen schwache und kranke Menschen im Sinne der NS-Rassenhygiene vorzugehen. 

Zwangssterilisation

Schon am 14. Juli 1933 wurde das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" erlassen, welches für viele Menschen die Zwangssterilisation vorsah. Es bestand eine Meldepflicht und ggf. Pflicht zur Selbstanzeige. Viele Opfer wurden auch denunziert. Ein Bevölkerungskataster, erstellt durch die Zusammenführung von Erhebungen aus psychiatrischen Anstalten und Pflegeheimen, Gefängnissen, Sonderschulen, Meldeämtern und Kirchenbüchern usw. ermöglichte den Behörden einen lückenlosen Zugriff auf die in Frage kommenden Personen. Bald wurden auch sozial schwache und überhaupt dem NS-Regime unliebsame Menschen von der Fortpflanzung ausgeschlossen. Ziel der Rassenhygieniker war es, durch Unfruchtbarmachung "eine allmähliche Reinigung des Volkskörpers und die Ausmerzung von krankhaften Erbanlagen" zu bewirken.  

Die Gesamtzahl derjenigen Menschen, die Opfer der Zwangssterilisation wurden, wird auf etwa 400.000 geschätzt!

Kinder - "Euthanasie"

Die ersten Opfer der NS-Euthanasie waren Neugeborene und Kleinkinder unter drei Jahren. Schon im Sommer 1939 hatte die Kanzlei des Führers den Mord an behinderten Kindern beschlossen und Gesundheitsexperten des Innenministeriums sowie ausgewählte Ärzte angewiesen, entsprechende Pläne auszuarbeiten. Im August 1939 verpflichtete ein Erlass alle Hebammen und Ärzte, den Gesundheitsämtern missgebildete und "idiotische" Kinder bis zum Alter von drei Jahren mittels Fragebogen zu melden. Ohne die Kinder je gesehen zu haben trafen Gutachter anhand der Meldebögen ihr Urteil. Die zum Tod bestimmten Kinder wurden in eine der 30 "Kinderfachabteilungen" (Tarnname für Mordstationen, die in Heilanstalten eingerichtet worden waren) zugewiesen. Besonders betroffen waren Kinder aus Heil- und Pflegeanstalten.

Seit 1941 wurden auch Kinder über drei Jahre sowie Jugendliche dieser "Behandlung" unterzogen, indem man ihnen tödliche Medikamente verabreichte oder sie verhungern ließ. Zwischen 1939 und 1945 wurden auf diese Weise mindestens 5000 Kinder und Jugendliche ermordet. Unter ihnen waren zahlreiche Kinder ohne unheilbare Leiden, nur lernten sie vielleicht langsamer oder waren irgendwie "verhaltensauffällig", wie man heute sagen würde.

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