Familie Abraham Strauß I

Ringstraße 15 (heute Nr. 15 1/2)

English version
The Abraham Strauss I family.pdf
Adobe Acrobat Dokument 156.2 KB

Der Viehhändler Abraham Strauß (*1884 in Rothenkirchen) war 1905 mit seinen Eltern Meier und Malchen Strauß nach Burghaun gekommen. In erster Ehe heiratete er Fanny Stern (*1884) in Burghaun. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor:

Feiber, geb. 1914

Herta, geb. 1921


"In der Blüte ihrer Jahre" starb Fanny 1924 an einer Herzschwäche. Als Abraham nun mit den beiden Kindern ganz allein dastand, heiratete er in zweiter Ehe Adelheid Stern (*6.9.1896) aus der Burghauner Schlossstraße. Für Feiber und Herta wurde Adelheid zur zweiten Mutter, die sich ihnen ebenso treusorgend zuwandte wie den beiden später in Burghaun geborenen leiblichen Kindern:

Marga, geb. 1928

Manfred, geb. 1931

Marga und Manfred konnten nur eine kurze Zeit unbeschwerter Kindheit in Burghaun verleben. Da die jüdische Volksschule seit 1933 geschlossen war, wurden die Geschwister mit den christlichen Kindern zusammen eingeschult - Marga Ostern 1934, Manfred Ostern 1937.  Mit zunehmender antisemitischer Hetze kam es immer öfter vor, dass die jüdischen Kinder schikaniert oder sogar nach der Schule von christlichen Mitschülern verfolgt und geschlagen wurden. 

1936 im Hausgarten - Eltern Strauß mit Feiber, Marga und Manfred
1936 im Hausgarten - Eltern Strauß mit Feiber, Marga und Manfred

Dass am 11. Juli 1935 der Fuldaer Viehmarkt, der bis dahin unbehelligt geblieben war, durch einen Nazi-Schlägertrupp gesprengt und polizeilich geschlossen wurde, war für Vater Strauß ein harter Schlag. Er hatte selbst am Markt teilgenommen und das durch den Überfall entstandene Chaos miterlebt. Nun wurde ihm auch noch der Gewerbeschein entzogen, wodurch die wirtschaftliche Existenz seiner Familie unmittelbar bedroht war.

Zeitzeugenaussage...

 

Nachdem Feiber 1936 nach Palästina und Herta 1937 nach New York emigriert und in Sicherheit waren, verschlechterten sich die Lebensbedingungen für die übrige Familie immer mehr. Ein besonders entsetzliches Ereignis -besonders für die Kinder- war die „Kristallnacht“. Marga und Manfred müssen Todesangst ausgestanden haben, als wildgewordene Nazis die ganze Einrichtung der jüdischen Schule nebenan zerschlugen und sie erleben mussten, wie ihr schönes Gotteshaus in Flammen aufging. 

Nachdem der Schulunterricht für die jüdischen Kinder im Juli 1939 ganz eingestellt worden war, schickten die Eltern Strauß ihre Tochter Marga offensichtlich nach Frankfurt a. M. zu Verwandten. Dort besuchte sie zusammen mit ihrer Burghauner Freundin Friedel Nußbaum die Raphael-Hirsch-Realschule. Ob auch Manfred in Frankfurt zur Schule ging, ist nicht ganz klar. Anzunehmen ist es schon, da die allgemeine Schulpflicht für die jüdischen Kinder noch bestand. Jedenfalls muss auch er sich in Frankfurt bei seiner Tante Lina Stern aufgehalten haben, was aus einem aufgefundenen Brief hervorgeht. Als die jüdischen Familien in Burghaun Anfang Dezember 1941 die Mitteilung über ihre "Evakuierung" in den Osten bekamen, kehrten die Burghauner Kinder zu ihren Familien zurück.

Am 8. Dezember 1941 erlebte dann die Familie Strauß den Abtransport fast aller noch in Burghaun zurück gebliebenen Glaubensgenossen. Und da sie selbst jedoch nicht auf der Deportationsliste stand, schöpfte man vielleicht ein wenig Hoffnung auf die eigene Rettung.

Marga muss nach diesem Ereignis wieder nach Frankfurt zurückgekommen sein, wie aus einem letzten persönlichen Lebenszeichen hervorgeht: Am 14.2.1942 brachte Marga, die zu dieser Zeit vermutlich in einem Frankfurter Kinderheim lebte, Tante Berthel und Onkel Nathan in der Thüringerstraße 23 eine Karte, die sie von ihrer Cousine Herta in Holland erhalten hatte. Gemeinsam verfasste man sogleich eine Postkarte an Herta, die Marga offensichtlich adressieren durfte und auf die sie einen Gruß schrieb: 

Wo die Straußens zuletzt nach dem Verkauf ihres Hauses im Juni 1939 in Burghaun wohnten, ist nicht mehr feststellbar. Erzählt wurde, dass sie noch etwa ein halbes Jahr zur Miete im Haus wohnten und dann im Haus einer benachbarten jüdischen Familie untergekommen seien.

Fest steht, dass die Familie Strauß in Burghaun aushielt, bis auch sie schließlich an der Reihe war. Am 5. September 1942 wurde sie zusammen mit der Familie Stern aus dem Viehhof von der Polizei "abgeholt" und über Kassel nach Theresienstadt „abgeschoben“. Hier in dem fernen riesigen Ghetto, dem Wartesaal zum Tod, lebten Abraham und Adelheid Strauß sowie ihre Kinder Marga und Manfred noch ungefähr ein halbes Jahr, bis man sie am 29. Januar 1943 in einem Viehwagen der Reichsbahn abtransportierte. Die Endstation war Auschwitz, wo sie ermordet wurden.

 

Text
Fam. Abraham Strauß I Ringstr.15.pdf
Adobe Acrobat Dokument 616.4 KB