Familie Feiber Stern
Burgstraße 7 (heute Nr. 4, Neubau)
Im Jahre 1929 feierte man im Hause des Samuel Stuckhardt (*1864 in Steinbach) die Hochzeit der jüngsten Tochter Jenny (*1899). Der Bräutigam Feiber Stern (*1892), der in das Haus Burgstraße 7 - allgemein als Viehhof bekannt - einheiratete, stammte aus der großen Familie Stern in der Schloßstraße. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor, die in Fulda zur Welt kamen:
Marga, geb. 1931
Samuel, geb. 29. Juni 1934
Markus, geb. 29. Juni 1934
Marga sei ein schönes Mädchen gewesen; wegen eines Nierenleidens war man besonders besorgt um sie. Samuel und Markus waren Zwillinge und wurden allgemein Semmi und Max gerufen. Semmi soll taubstumm gewesen sein.
Feiber Stern war im Dorf sehr bekannt und angesehen, alle befragten christlichen Zeitzeugen konnten sich gut an ihn erinnern. Er betrieb auf seinem Hof eine Viehhandlung, wie schon vor ihm sein Schwiegervater Samuel Stuckhardt, der das Anwesen 1901 erworben hatte und schon 1931 verstarb.
Mit im Haus lebte Großmutter Julchen (Judis) Stuckhardt geb. Wetterhahn (*1869), gebürtig aus Rhina. Nach der Überschreibung des Haus- und Grundbesitzes auf ihre Tochter Jenny genoss die alte Frau Stuckhardt lebenslängliches Wohnrecht im Hause Burgstraße 7.
Während des Novemberpogroms von 1938 wurde Feiber Stern zwar mit den anderen jüdischen Männern verhaftet, man entließ ihn aber am Nachmittag wieder wegen seiner Kriegsbeschädigung, die er als Frontkämpfer im ersten Weltkrieg davongetragen hatte.
Die Familie Stern lebte bis zum September 1942 in ihrem Haus, zuletzt verarmt und zurückgezogen. Trotz der fast völligen Isolierung waren nach Aussage früherer Nachbarn deren stets freundschaftliche Beziehungen zu den Sterns nicht zerbrochen. Heimlich half man mit, die größte Not etwas zu lindern.
Doch hilflos und stumm standen einige der Nachbarn dann am 5. September 1942 am Straßenrand und winkten verstohlen, als die Familie Stern am helllichten Tag von der Polizei geholt wurde und für immer Abschied nehmen musste von der angestammten Heimat. Frieda Soll geb. Doll war damals dabei: "Wie die Sterns weg sind, der Feiber mit Familie und das alte Julchen Stuckhardt, das werd ich mein Lebtag nicht vergessen. Also die Jenny hat das Handwägelchen gefahren, ging stramm und sah nicht nach rechts und nicht nach links, die drei Kinder liefen an der Seite. Das alte Julchen hinkte so dahinter her, und der Feiber hat nach allen Seiten gewunken, als wollte er Aufwiedersehen sagen. "
Zusammen mit der Familie Strauß brachte der alte Wachtmeister Seibel die Sterns zum Burghauner Bahnhof. Hier mussten sie in den von Fulda kommenden "Vieruhrzug" in einen separaten Waggon einsteigen, in dem sie auch die letzten Hünfelder und Fuldaer Juden antrafen. Unter polizeilicher Bewachung fuhren die Familien zunächst nach Kassel, wo sie zwei Nächte in einem Sammellager zubrachten, wozu man die Bürgerschulen in der Schillerstraße missbraucht hatte. Aller Wertsachen und des letzten Geldes beraubt, nur mit Handgepäck und etwas Wegzehrung ausgerüstet, transportierte sie schließlich ein Zug der Reichsbahn in das Ghetto Theresienstadt. Hier verbrachte die Familie Stern noch etwa zwei Jahre, bis sie ihre letzte Fahrt antreten musste. Mutter Jenny und die drei Kinder Marga, Semmi und Max kamen am 6. Oktober 1944 mit einem Transport aus Theresienstadt im Vernichtungslager Auschwitz an. Sehr wahrscheinlich hat man sie gleich an der Rampe selektiert und dann umgebracht. Auch Vater Stern, den man offensichtlich schon in Theresienstadt von seiner Familie getrennt hatte, wurde in Auschwitz ermordet.
Nur die alte Großmutter Julchen Stuckhardt hat wie durch ein Wunder in Theresienstadt überlebt. Nach ihrer Errettung lebte sie eine Zeitlang in Frankfurt in der Gagernstr. 36, vormals ein jüdisches Krankenhaus, bis sie zu ihrer Tochter Malwine in New York ausreisen konnte.
Das Foto zeigt Johanna Wallach geb. Stuckhardt, eine ältere Schwester von Jenny Stern geb. Stuckhardt. Sie war in Oberaula mit dem Kaufmann David Wallach verheiratet. Auch sie wurde ein Opfer des Holocaust.
Das Foto muss aus den Hinterlassenschaften der Familien Stuckhardt/Stern stammen, die nach deren Deportation im Haus zurückgeblieben waren und später meistbietend öffentlich versteigert wurden !