Familie Markus Stern
Oberste Str. 7/ ersatzlos abgerissen
Markus Stern (*1886) stammte aus einer alteingesessenen Burghauner Familie. Er heiratete Lina Strauß (*1888 in Rothenkirchen), eine Schwester von Abraham Strauß. Das Ehepaar bekam drei Kinder:
Jonas *1916
Mali *1919
Herta *1922
Markus Stern war im Dorf allgemein bekannt unter dem Spitznamen "Gickel". Eine alte Burghaunerin wusste zu berichten, dass es zu diesem Necknamen gekommen sei, weil sich Mutter Amalie Stern einmal entsprechend anschaulich über die Beliebtheit ihres Sohnes Markus bei den jungen Mädchen geäußert habe. Das Haus in der Obersten Straße bewohnte die Familie bis Ende 1935.
Ihrem Wegzug von Burghaun -es war wohl eher eine Flucht- war im Sommer eine Anzeige gegen Stern mit drohender Inhaftierung vorausgegangen. Als klar wurde, dass eine Rückkehr nicht mehr in Frage kam, ließ Markus Stern Haus und Hof durch seinen Schwager Abraham Strauß verkaufen.
Für die jungen Juden wurde es in den 1930er Jahren in Deutschland aufgrund der zunehmenden Diskriminierung und Ausgrenzung mit der beruflichen Ausbildung und Erwerbstätigkeit immer schwieriger. So war Jonas froh, dass er in Beuthen im damaligen Oberschlesien eine Lehre als Metzger absolvieren konnte. Anschließend bekam er eine Anstellung in Frankfurt, wo er im Oktober 1937 in der Hanauer Landstraße wohnte.
Mali besuchte einige Jahre die Lateinschule in Hünfeld. Später war sie in der Familie ihres Onkels Leopold Strauß in Leipzig als Kindermädchen tätig, kam dann aber ebenfalls nach Frankfurt, wo sie eine Arbeitsstelle gefunden hatte.
Wie schon erwähnt hatte man Markus Stern in Burghaun bedroht, sodass er es vorzog mit seiner Frau Lina und der 13-jährigen Herta das Dorf gegen Ende 1935 zu verlassen und Jonas nach Beuthen zu folgen. Gemeinsam kamen dann alle 1937 zurück nach Frankfurt.
Noch vor dem Novemberpogrom von 1938 konnten Jonas und Mali in die USA entkommen, wo sich beide bald verehelichten. Um ihren Lebensunterhalt zu sichern, mussten die jungen Leute hart arbeiten. Im November 1940 war Mali in einer Textilfabrik tätig, Jonas arbeitete zu dieser Zeit in einem New Yorker Hotel als Metzger. - Um 1995 starb Jonas Stern, seine Schwester Mali lebt noch in New York.
In Frankfurt erlebten die Eltern Stern mit Herta 1938 die Schrecken des Novemberpogroms, in dessen Verlauf Vater Stern verhaftet und mit Hunderten anderer Frank-furter Juden am 16.11.1938 ins KZ Dachau abtransportiert wurde.
Im September 1939 bot sich auch für Herta eine Möglichkeit zur Flucht. Sie hatte einen Platz im jüdischen Werkdorf Wieringerwaard in Nordholland bekommen. Das Werkdorf war eine Einrichtung der “Hachschara”, die junge Juden für eine Auswanderung nach Palästina vorbereitete.
So blieben die Eltern Stern in Frankfurt zurück und hofften, dass sie ihren Kindern bald in die USA folgen könnten - sowie diese dort Fuß gefasst hätten und für sie würden bürgen können.
Am 16.10.1940 konnte Vater Stern seiner Tochter Herta nach Holland berichten: “...auf meinem Geburtstag kam ein Telegramm von Mali und Max, dass sie die Bürgschaft von Korn für uns haben.“ Und am 22.2.1941 schien es so, als stünde einer Ausreise nichts mehr im Wege: “Von Jonas hatten wir Beleg, Papiere abgesandt, Passagen bezahlt.“
Doch mit der Fortdauer des seit dem 1. September 1939 tobenden Krieges wurde die Auswanderung immer schwieriger und die Sache zog sich in die Länge. Neue einschneidende Bestimmungen machten die Bürgschaft hinfällig und eine Flucht rückte in weite Ferne. Am 12. August 1941 warteten die Eltern Stern noch immer voller Hoffnung auf ein Schiff in die Freiheit. Der Vater schrieb an Herta: „Von USA hatten wir Post, dieselben müssen unsere Ausreise von drüben besorgen, hoffentlich klappt es!“ Und die Mutter fügte hinzu: „Wir hoffen jetzt, dass unsere Lieben alles von dort aus erledigen, es müssen wieder neue Papiere eingereicht werden, hoffentlich dauert es nicht so lange.“
Während die Familie weiter hoffte und sich bemühte, war den ständigen Einschränkungen der Fluchtmöglichkeiten am 23. August 1941 ein Erlass des Reichssicherheitshauptamtes gefolgt, der besagte, dass die Auswanderung der Juden ab sofort zu verhindern sei, zwei Monate später war sie gänzlich verboten.
Jonas versuchte die Eltern zu beruhigen: „ ... Momentan ist leider nichts zu machen, da alles stockt. … Wir werden nichts unversucht lassen. ... Natürlich, geliebte Eltern, braucht Ihr Euch in keiner Art und Weise irgendwelche Gedanken zu machen, dass Euer Zusammenkommen mit uns irgendwie gehindert ist. Wir werden alles versuchen, was in unseren Kräften steht. Ihr wisst doch, Ihr kamt zu mir nach Beuthen und dann nach Frankfurt. Ihr kommt auch hier, wo es auch sein mag, zu mir und meiner geliebten Thea. Die Zeit wird uns nur zu lange. Wo wir hingehen kommt Ihr auch. ... "
Doch trotz aller Rettungsversuche – es war zu spät! Markus und Lina Stern kamen nicht mehr aus Frankfurt a. M. heraus. Am 9. November 1941 teilten sie ihren Kindern mit, dass sie zwei Tage später “verreisen” müssten. Von ihrer Wohnung in der Ober-mainanlage 24 ging die “Reise” am 11.11.1941 nach Weißrussland in das mörderische Ghetto Minsk. Dort kamen sie beide ums Leben.