Familie David Nußbaum
Ringstraße 5 (heute Nr. 4)
Der Handelsmann David Nußbaum (*1890) stammte aus einer alteingesessenen Burghauner Familie. Er war verheiratet mit Jenny geb. Katz (*1894) aus Rhina. Das Ehepaar hatte drei Kinder:
Samuel, geb. 1923
Inge, geb. 1925
Friedel, geb. 1928
Samuel, genannt Semmi, besuchte zunächst die jüdische Volksschule in Burghaun und anschließend eine religiöse Institution im nahe gelegenen Fulda. Da er dort ein sehr guter Student war, wurde er von seinen Lehrern, die inzwischen nach England emigriert waren, angefordert, und so kam auch er nach Großbritannien. Als Deutscher wurde er dort während des Krieges interniert und später von den Briten nach Kanada geschickt, wo er bei Toronto lebte und im November 2010 starb.
Die anderen Familienmitglieder blieben in Burghaun. Im Zuge des Novemberpogroms 1938 wurde David Nußbaum für mehrere Wochen im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert. Bald nach seiner Freilassung sah er sich gezwungen, sein Anwesen in der Ringstraße durch notariellen Vertrag zu verkaufen. Als man dann die Familie aus dem Haus warf, zog sie in das leerstehende Haus Victor in der Ringstraße 20.
Am 8. Dezember 1941 wurden die Eltern Nußbaum zusammen mit ihren beiden Töchtern von Burghaun nach Riga in das „Reichsjudenghetto“ deportiert. David kommandierte man wenig später bei einer Selektion ab in das Arbeitslager Salaspils bei Riga, welches einem Todeslager gleichkam. Dort starb er im Mai 1942 aufrund der bestialischen Lebensbedingungen.
Jenny Nußbaum wurde mit ihren beiden Töchtern Inge und Friedel noch vor der gewaltsamen Räumung des Rigaer Ghettos in das Konzentrationslager Kaiserwald bei Riga geschafft. Als dann die Rote Armee im Sommer 1944 immer näher rückte, brachte sie ein Schiff in das berüchtigte KZ Stutthof bei Danzig. Dort starb Mutter Jenny Ende Dezember 1944.
Als die beiden Töchter Ende Januar 1945 im Viehwagen in das Nebenlager Burggraben abtransportiert wurden starb die 16-jährige Friedel vor den Augen ihrer Schwester noch während der Fahrt an Entkräftung und Auszehrung.
Nur Jnge hat die mörderische Reise durch die Konzentrationslager überlebt. Als die Russen ganz nah an Danzig heranrückten wurde Inge mit den übrigen Insassen auf den Todesmarsch Richtung Westen geschickt. Unterwegs machte sich die SS-Wachmannschaft auf und davon, und die entkräfteten Häftlinge waren sich selbst überlassen.
"Zuletzt hab ich allein in einer Scheune gesessen, nur noch jemand von Fulda war dort, aber tot - von Bomben getötet. Ich hab da gesessen und hab den Himmel über mir gesehen - und mir ist nichts passiert. Schließlich haben mich die Russen gefunden. Ich war so krank, ich konnte nicht mehr laufen. Ich hab nur noch 60 Pfund gewogen. Dann haben sie Danzig eingenommen mit den Panzern. Und die Russen haben gleich ein Krankenhaus dort aufgemacht. Die waren sehr sehr gut zu mir. Ich habe Bluttransfusionen bekommen und alles mögliche. Wir sind Anfang April befreit worden, und ich war bis Juli/August im Krankenhaus bei den Russen."
Im Fall ihres Überlebens hatte Mutter Nußbaum ihren Töchtern geraten, zur Bäckersfamilie Roß nach Burghaun zu gehen, also schlug sich Inge Nußbaum von Danzig über Berlin nach Burghaun durch. Im Juli 1946 konnte sie dann in die USA ausreisen.
"Von Berlin zurück nach Burghaun, das hat -ich weiß nicht wieviele- Tage gedauert. Die Züge, die Schienen, es war doch alles kaputt. - Es war noch ganz dunkel an dem Morgen. Ich komme da an, alleine und ganz abgerissen. Ich bin zum Bäcker Roß hinten in die Backstube rein, der Mister Roß war schon zugange. Und wie er mich da stehen sieht, hat er geschrien: Eva, Eva, wir haben Besuch! - Da bin ich dann geblieben ein ganzes Jahr, und ich war wie eine Tochter bei ihnen im Haus."
So berichtete Inge Heiser geb. Nußbaum 1997, und die Erinnerung an diesen Lebensabschnitt bereitet ihr noch heute großen Schmerz. Mit ihrem Mann Fredy Heiser aus Hof bei Kassel, den sie nach dem Krieg in Deutschland kennengelernt und später in den USA geheiratet hatte, lebte sie in Fairlawn, nicht weit entfernt von New York.
Inzwischen (2020) sind beide verstorben.
Inge Heiser geb. Nußbaum berichtete 1997 während eines Treffens mit mir in ihrem Haus in Fairlawn (New Jersey) über ihre Ankunft im "Reichsjudenghetto" Riga:
Originalton unter
1933 bis 1945 - Deportation nach Riga